Ich sehe es ziemlich ähnlich wie Bertone. Die Situation ist folgende: Es werden klare Definitionen für komplexe Gefühle und so genannte "kognitive Zustände" gebildet, die nur ein Abbild - und im Falle der Liebe auch nur ein Zerrbild - der Realität menschlicher Verhaltensweisen sein können. Als Beispiel:
Nach den Erkenntnissen aus der Psychologie und Neurologie, ist Liebe nichts weiter, als eine elektrochemische Reaktionskette des Gehirns - ausgehend von einer genetischen Programmierung, die nur dem Zweck dient, die Art zu erhalten. Es ist eine Illusion, die in unseren Köpfen entsteht, aber keine existentielle oder substantielle Grundlage hat.
Anders ausgedrückt: Liebe ist eine Lüge, deren Existenz das Gehirn uns vorgaukelt. Sie dient vor allem stabilen Familienverhältnissen, die insgesamt förderlich für die "Aufzucht" der "Jungen" ist. Alles was darüber hinaus der Liebe von uns zugeschrieben wird, ist im Grunde nichts weiter, als romantisierender Unfug.
Damit ist der Wert der Liebe - und wie wir sie sehen - nicht in Frage gestellt... zeigt aber, wie ein ansich unstrittiges Thema völlig banalen Grundlagen entspringt.
Die Religion ist nicht die einzige Institution, die das Konzept der Liebe opportunistisch mißbraucht - aber sie war eine der ersten.
-
Meine Eltern sahen es als Notwendigkeit an, daß ich in jungen Jahren in die Kirche zu gehen hatte. Mit fünf Jahren stellte sich mir allerdings die Frage, weswegen ich nicht jeden Tag im Spiderman-Kostüm herumlaufen durfte, währenddessen, unser Pfarrer in alberner Kutte und albernen Utensillien alberne Rituale durchführte, um einem Gott zu huldigen, der sich nie bei mir gemeldet hatte. Und all das, ohne dies von Elternseite aus irgendwie merkwürdig, oder blöd zu finden... das Spiderman-Kostüm durfte ich nach meinem Protest übrigens trotzdem nicht tragen.
Diese einfache, infantile Frage, die ich mir stellte als ich noch so jung war, reichte, um das gesamte Ding, namens Religion, damals schon in Frage zu stellen.
Aber gut... es wäre nicht das erste Mal, mich auch deswegen einen Freak zu schimpfen
-
Den Atheisten jegliche Moral und Ethik abzusprechen, nur weil sie keiner Religion angehören ist nur polemisierender Unfug und völlig indiskutabel. Die Religionen haben schließlich diese moralischen Werte - wobei Moral immer auch von der Sichtweise abhängig ist; das ist keine absolute Sache - nicht erfunden... auch wenn sie das stets behaupten.
Anders gesagt: Man braucht keine Religion, um sich verlieben zu können. Man braucht keine Religion, um emphatisch Mitgefühl zu haben.
Ich finde es auch sehr erstaunlich, daß man das extra noch dazusagen muß - zeigt aber sehr genau, wie abgeschlossen das System der Gläubigen und ihrer Religionen ist. Dieser Vorwurf der Morallosigkeit ist ein Ausdruck elitären Denkens. Das äußerst sich auch in der Verachtung, die sie den Atheisten entgegenwerfen... ganz so, als ob es Untermenschen wären (denn Menschen, die keine Moral haben, sind keine Menschen - jedenfalls ist das mit eine der impliziten Aussagen), was natürlich Unsinn ist.
Mir wurde auch schon vorgeworfen, weil ich nicht gottesgläubig wäre, wäre ich auch nicht "offen" genug, andere Sichtweisen zu akzeptieren. Was auch Unfug ist, denn als Agnostiker, ist das natürlich meine Grundeinstellung, zunächst mal alles für (im Idealfalle) nahezu gleich wahrscheinlich zu halten, bis ein Beweis auf dem Tisch liegt, mit dem man definitiv werden kann. Ich glaube: Noch offener geht es kaum noch.
Selbstredend wurde das nicht anerkannt.
Nachtrag:
Ich finde es übrigens sehr gut, daß wir uns über dieses sehr hitzige Thema so ruhig und besonnen austauschen können. Ihr habt ja keine Ahnung wie selten das ist
Danke.