OcumaroDo. 31 Mai. 2012, 16:56 Uhr
Blender ist ein Meilenstein.
Hola alle zusammen hier im Blender Forum.
Meinen ersten Computer habe ich 1977 gekauft.
Ein TRS80 von Radio-Shack mit Zilog Prozessor
und CP/M-Betriebssystem. Der hatte 16 KB RAM.
Das BASIC in der Plaste-Kiste war uebrigens von
einem gewissen Bill Gates. Man konnte darauf ein
Lotto-Simulationsprogramm schreiben, die Gurke
nachts ueber laufen lassen und gucken, ob man am
naechsten Morgen eine "4" erzielt hatte oder nur
Dreier und was das gekostet haette an Einsaetzen.
Ab da habe ich keine Lottoscheine mehr ausgefuellt.
Meinen ersten Profi-Business-PC habe ich 1986 gekauft.
Einen Commodore PC10 mit Festplatte 10 MB.
Damit war es moeglich 4-5 mal so viele Texte zu
schreiben wie auf herkoemmlicher Schreibmaschine,
jedenfalls wenn man "Textbausteine" brauchen konnte.
Die Software war damals Framework, in der ersten
Version 1 kam das Manual als Lose-Blatt-Sammlung.
Mit Framework IV arbeite ich heute noch. Ich habe
das Programm seit der Pleite von Ashton-Tate bzw.
von Borland (um 1990) nicht mehr up-gegraded.
Ist auch nicht noetig. Es arbeitet perfekt und kann
im Buero absolut alles. Und es ist Gott weiss viel
schneller als alle heutigen Officepakete. Wetten?
Man muss allerdings immer versuchen, seine alten
DOS-Boxen unter der jeweiligen Windows-Version
irgendwie am Laufen zu halten. Dann braucht man nie
mehr Upgrades und man beherrscht seine Programme
nach 20 Jahren wirklich immer total - nicht umgekehrt.
Neben dem Allround-Office-Programm Framework
kam ausserdem erst dBASE2 und danach dBASE3.
Dann habe ich im Jahre 1989 FOXBASE aus den
USA importiert. Ich musste die Software im Hamburger
Freihafen abholen und verzollen. Damit konnte man (bei
gewissenhafter Sicherung auf 2 mal 4 Floppy-Disks) die
alten Karteikaesten endlich auf den Muell schmeissen,
spaeter konnte man alle Telefonbuecher von Deutschland,
die bis dahin der Postbote brav alle 2 Wochen ablieferte,
auf den Muell werfen und 1999 dann 200 Leitz-Ordner.
Es war eine Befreiung und eine Beschleunigung um
etwa das Hundertfache, denn es gelang mir damit die
Texte (FW4) und die Daten (FoxBase) nahtlos zu
verbinden. Zu diesem Zeitpunkt, etwa 1989, war ich
effizienter in meinem Buero als jeder Grosskonzern.
Zur gleichen Zeit experimentierte man mit Datex-P,
denn das Internet gabs noch nicht. Ein 1800-baud-
Modem von der Firma "Dr. Neuhaus" in Hamburg
war so gross wie ein Schuhkarton und kostete fast
2000 Mark. Es uebertrug real 200 byte pro Sekunde.
Aber mit dem FoxBase von 1989 arbeite ich heute noch.
Es ist perfekt und braucht kein Upgrade. Im Gegenteil.
Es wurde spaeter von der Krake "WinzigWeich" gekauft
und vollkommen an die Wand gefahren. Aufgeblaeht um
das 10-fache, im Preis vervierfacht und als FoxPro
vermarktet, diente dieser Kauf der Krake einzig und allein
dazu, ihre "Access" Datenbanksoftware ungestoert von
allzu harter Konkurrenz monopolistisch zu verscherbeln.
Einziger ernsthafter Konkurrent der Krake war damals
Borland; - eine Firma, der ich heute noch nachtrauere.
PageMaker4 von Aldus (heute Adobe) kam spaeter.
Nun wurde mein alter Drucker arbeitslos, denn meine
Briefboegen konnte ich ja ploetzlich selbst machen.
Es wurde alles irgendwie entmaterialisiert, einfacher.
Richtig. Es gab immer wieder Momente, da war ich
kurz davor, meinen PC aus dem 4. Stock auf die
Strasse zu knallen, so ungeheuer wuetend war ich.
Gebruellt habe ich wegen der Maschine, mit total
aufgedunsener Fresse und aufgeblaehten Adern,
so fuerchterlich, dass Speichelfetzen durch die Luft
flogen und der Infarkt grinsend auf der Lauer lag.
- Aber nach 25 Jahren kann ich summa summarum
sagen, dass ich nach den Jahren des Lernens und des
Frustes doch sicher Tausende Stunden und Tausende
Euro damit gespart habe.
Nun also Blender. Blender ist das komplexeste Ding,
das ich in 35 Jahren je gesehen habe. Es ist nicht nur
aufgrund seiner ungeheuren Komplexitaet faszinierend,
dieses Tier, nein, es ist schon ein aesthetischer Genuss,
es nur zu betrachten. Das kann ich guten Gewissens
sagen nach nur einer Woche, denn das Tier stuerzt
nicht ab, es ist sau-stabil, seine Schoenheit basiert sicher
auch auf Vertrauen, auf seiner Kraft und seiner Ruhe.
Love on first sight war es aber nicht. Denn ich hatte eine
aeltere Version bereits vorher einmal installiert und wieder
geloescht, weil die Tutorials schon optisch nicht zu der
Version passten, die ich da vor mir auf dem Screen hatte.
Also dachte ich, das Programm sei nur was fuer Freaks.
Damals schrieb ich in irgendeinem Forum "Ihr koennt mich
in eine Knastzelle sperren und mir sagen, dass ich erst frei
bin, wenn ich meinen ersten Mesh mit Blender erstellt habe
und ich werde in der verdammten Zelle verrecken." Gosh.
Mein grosser Fehler war, dass ich www.blender.org nicht
kannte, sondern mir den ganzen Kram irgendwo anders
zusammengesucht hatte. Gut. Das ist jetzt endlich vorbei.
Eine Bemerkung sei mir noch gestattet, bitte. In der BRD
laeuft zur Zeit ja offenbar eine aufgeregte Diskussion um
das Urheberrecht. Ich sehe mich heute selbst als Kuenstler
und war bisher uneingeschraenkt auf Seiten "der Alten".
Da 3DSMax von Autodesk 3000 Dollar kostet und ganz
gewiss nicht mehr kann als Blender, sondern vermutlich
weniger, muss ich zugeben, dass Blender mich sogar im
Hinblick auf meine politischen Grundansichten zumindest
mal zum Gruebeln bringt. Das muss schon ein Meilenstein
sein, ein Programm, das so in die eigene Psyche greifen kann.
Ich habe also mehr oder weniger jeden Tag in den letzten
35 Jahren vor einem PC gesessen und Dutzende Programme
kommen und gehen sehen. Blender ist meinem Instinkt nach
das beste Programm, das ueberhaupt je existierte.
Es ist irrsinnig progressiv, alles daran, das Beste vom Besten.
Ich bin 60 Jahre alt und es ist das erste Mal seit Jahrzehnten,
dass ich wieder *richtig* begeistert von einer Software bin.
Es wird wohl dauern, bis ich auch nur die ersten 10 Prozent
davon beherrsche, ich werde mich dann ggflls. wieder melden.
Bis denn dann. Und frohes Schaffen.
With the kindest regards from Portugal I remain
Ocumaro